Veranstaltung: | Landesmitgliederversammlung Hamburg |
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Tagesordnungspunkt: | 9 Anträge |
Antragsteller*in: | Zohra Mojadeddi |
Status: | Zurückgezogen |
Eingereicht: | 23.04.2024, 09:09 |
Dringlichkeitsantrag: Humanitäre Zugänge für Hilfslieferungen nach Gaza
Antragstext
Die deutsche Bundesregierung und auch wir Grüne haben zurecht die brutalen
Terrorangriffe durch die Hamas und andere bewaffnete Gruppen am 7. Oktober 2023
verurteilt. Die Hamas hat abscheuliche Angriffe auf Zivilisten verübt und hält
weiterhin zivile Geiseln fest. Diese und andere Handlungen verstoßen gegen das
humanitäre Völkerrecht.
Die schrecklichen Angriffe am 7. Oktober und die Notwendigkeit, die Sicherheit
israelischer Bürger:innen zu gewährleisten, haben dazu beigetragen, dass
Deutschland Israels militärische Gegenreaktion weitestgehend vorbehaltlos
politisch und militärisch unterstützt. Jedoch muss jede Unterstützung für Israel
mit den gegebenen Vorgaben des internationalen Völkerrechts im Einklang stehen.
Nach sechs Monaten Krieg in Gaza sind 5% von 2,2 Millionen Einwohner:innen im
Gaza Streifen entweder getötet, verletzt oder liegen unter den Trümmern der zu
zwei Dritteln zerstörten Gebäude in Gaza.
Es herrscht Hungersnot im Gazastreifen. Die Vereinten Nationen warnen, dass mehr
als 677.000 Bewohner:innen unmittelbar vom Hungertod bedroht sind – ein höherer
Bevölkerungsanteil als irgendwo sonst auf der Welt.
Aufgrund der Zerstörung der zivilen Infrastruktur und der Zugangsbeschränkungen
für humanitäre Güter fehlt es in Gaza an allem: an Lebensmitteln, sauberem
Trinkwasser und dringend notwendigem medizinischen Bedarf.
Direkt nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 riegelte
die ultrarechte Regierung unter der Führung von Benjamin Netanjahu den
Gazastreifen komplett ab und erklärte ab dem 8. Oktober, dass Gaza keine
Lebensmittel, kein Wasser, keinen Treibstoff und keinen Strom mehr erhalten
soll.
Bereits seit dem Wahlsieg der Hamas 2006 unterlag Gaza einer Blockade, die dazu
geführt hatte, dass bis zu 80% der Bevölkerung auf internationale Hilfe
angewiesen waren. Alle Güter, die nach Gaza gebracht werden, unterliegen einer
sehr restriktiv gehandhabten Einfuhrkontrolle und Genehmigung seitens Israels.
Während vor dem 7. Oktober täglich rund 500 LKWs mit Hilfslieferungen in den
Gaza-Streifen kamen, sind es heute maximal 200 LKWs an einem Tag; es gab aber
auch Wochen, an denen keinerlei Hilfe erfolgte. Die Produktion im Gaza-Streifen
ist infolge des Kriegs fast ganz zum Erliegen gekommen, die Not angesichts der
rund 1,7 Millionen Binnenvertriebenen größer denn je.
Trotz der vehementen Forderungen aus den USA und der Anordnung des
Internationalen Gerichtshofs, die Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza zu
verbessern, kamen im Februar noch weniger Hilfslieferungen in Gaza an als im
Januar diesen Jahres. Als Reaktion hierauf begannen die USA und Jordanien im
März damit, Nahrungsmittelpakete aus der Luft in den Gazastreifen abzuwerfen und
einen temporären Hafen zu bauen. Deutschland beteiligt sich an den
Hilfslieferungen per Luft und See.
Viele internationale Hilfsorganisationen halten diese Wege allerdings für
ineffizient und wenig effektiv und beklagen den mangelnden Schutz für ihre
Mitarbeitenden in Gaza. Sie sehen sich aufgrund der Kampfhandlungen und des
Zusammenbruchs der öffentlichen Ordnung nicht in der Lage, die Bedürftigen auch
nur ansatzweise ausreichend zu versorgen.
Die israelischen Behörden haben laut UNRWA-Chef Philippe Lazzarini die Vereinten
Nationen am 24. März darüber informiert, dass sie keine weiteren
Lebensmittelkonvois der UNRWA in den nördlichen Gazastreifen genehmigen werden.
Desweiteren werden die Transporte von Hilfsgütern und Lebensmittel an den
Grenzen von bewaffneten israelischen Zivilisten und Siedlern an der Weiterfahrt
behindert oder teilweise gar nicht durchgelassen.
Aufgrund von gezielten Tötungen von UN-Mitarbeiter:innen und der
Mitarbeiter:innen von diversen international tätigen NGOs, wie z.B. von World
Central Kitchen, haben fast alle NGOs ihre so wichtige lebensrettende Arbeit in
Gaza beendet. Ihre Mitarbeiter:innen haben Gaza weitestgehend verlassen.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte hat das Vorgehen Israels, wie auch das
der Hamas, als Kriegsverbrechen eingestuft. Zwar räumt die Bundesregierung ein,
dass die Lage katastrophal ist, sie scheint aber nicht anzuerkennen, dass diese
Katastrophe ein von Menschen verursachtes Ereignis ist, und kein unvermeidbares
oder unvorhersehbares Ereignis darstellt.
Die umfassende Zerstörung einer Gesellschaft, wie sie sich nun vor unseren Augen
abspielt, ist jedoch mit der im Grundgesetz gefassten Verantwortung, für den
Frieden zu wirken, nicht vereinbar.
Die Bundesregierung hat die Aufgabe, sich vehement für die universelle Anwendung
des Völkerrechts und den Schutz der Menschenrechte einzusetzen – auch, wenn dies
bedeuten sollte, das Verhalten der aktuellen israelischen Regierung zu
verurteilen und zu sanktionieren. Die Bundesregierung sollte entschlossen
Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen in Gaza ergreifen und für diejenigen auf
beiden Seiten eintreten, die sich bisher für Frieden, Gleichheit und Würde
eingesetzt haben und dies auch weiterhin tun.
- Wir Grüne in Hamburg setzen uns auf Bundesebene dafür ein, dass
Deutschland die Zahlungen an UNRWA im Gazastreifen mit sofortiger Wirkung
wiederaufnimmt, genau wie andere europäische Staaten und Japan, u.a. auch
weil es bis heute keine Beweise der israelischen Regierung für ihre
Anschuldigungen gegen das UN-Hilfswerk gegeben hat.
- Wir setzen uns für eine umgehende und umfassende Lieferung von
Lebensmitteln und Medikamenten sowie für Maßnahmen wie die Entsendung von
Ärzt:innen, Sanitäter:innen, Medium Urban Search and Rescue Teams,
Einsatzkräften des THW, I.S.A.R. Germany sowie den dringenden Schutz der
Einsatzkräfte von UN sowie diverser weiterer NGOs ein.
- Wir möchten, dass Israel internationale Journalist:innen und
Kriegsberichterstatter:innen die Einreise nach Gaza, ins Westjordanland
und andere besetzte Gebiete genehmigt, diese schützt und eine neutrale
Berichterstattung ermöglicht.
- Wir setzen uns, wie wir im Rahmen unseres BDK-Antrags bereits einstimmig
beschlossen haben, für eine 2-Staaten-Lösung – Israel und Palästina – ein.
- Aufgrund von gezielten Tötungen von Palästinenser:innen im Westjordanland
durch IDF und gewalttätige jüdische Siedler wird erwartet, dass Anthony
Blinken in den nächsten Tagen Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen
gegen das „Netzach Jehuda“-Bataillon der israelischen Streitkräfte
ankündigen wird. Es wäre das erste Mal, dass die USA Sanktionen gegen eine
israelische Militäreinheit verhängen. Diese Maßnahmen würden die
Mitglieder des Bataillons von militärischer Unterstützung oder Ausbildung
durch die USA ausschließen. Für uns Grüne ist es nach diesem bereits seit
sechs Monaten andauernden Zerstörungskrieg mit mehr als 38.000 getöteten
Palästinenser:innen, davon allein 14.000 Kinder, und über 12.000
verletzten Kindern, unerlässlich die bisherige Waffenlieferung nach Israel
zu hinterfragen, zu bewerten und die Strategie dahinter zu evaluieren. Bis
zum Vorliegen einer wertebasierten und feministischem wissenschaftlichen
Aufarbeitung der bisherigen Waffenlieferungen nach Israel, setzen wir uns
zunächst für eine Aussetzung der Waffenexporte nach Israel ein.
Begründung
Begründung der Dringlichkeit:
Seit Antragsschluss am 05.04.2024 hat mit der Eskalation zwischen Israel und Iran die Brutalität der Auseinandersetzung im Nahen Osten weiter zugenommen. Eine Ausweitung des Nahostkrieges muss dringend verhindert und die vor diesem Hintergrund zugespitzte Situation der Menschen in Gaza und im Westjordanland verbessert werden. Am 22.04.2024 wurde zudem in verschiedenen seriösen US-Medien sowie im deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk über die Entscheidung der amerikanischen Regierung berichtet, Sanktionen gegen das „Netzach Jehuda“-Bataillon der israelischen Streitkräfte wegen Menschenrechtsverletzungen im Westjordanland anzukündigen.
Begründung: erfolgt mündlich
Unterstützer*innen
- Zohra Mojadeddi (KV Hamburg-Wandsbek)
- Sümeyye Dogan (KV Hamburg-Bergedorf)
- Lene Greve (KV Hamburg-Altona)
- Svenja Horn (KV Hamburg-Mitte)
- Linus Sage (KV Hamburg-Harburg)
- Klaus-Joachim Reinig (KV Hamburg-Altona)
- Massieh Zare (KV Hamburg-Mitte)
- Farid Abdullah Najem (KV Hamburg-Mitte)
- Heike Dahlgaard (KV Hamburg-Mitte)
- Urte Manjowk (KV Hamburg-Mitte)
- Sami Khokhar (KV Hamburg-Wandsbek)
- Otfried Hilbert (KV Hamburg-Wandsbek)
- Franz Florian Krause (KV Hamburg-Altona)